Am Donnerstag, dem 21.08. war es also so weit, Eisenerz ging auf Draht! In 12 spannenden und teils grundlegend unterschiedlichen Künstlerpositionen wurde das in der Region so allgegenwärtige Thema Metall, diesmal in Form von „Draht“ bearbeitet, diskutiert und zur Schau gestellt.
Schon bei der Eröffnung im prächtig gefüllten alten Forum-Gebäude, gleichzeitig auch Herz des Rostfestes, zeigte sich die künstlerische Leiterin von eisenerZ*ART, Gerhild Illmaier, stolz über die Vielseitigkeit der Ausstellung, die „in Form bildender Kunst, Video, Performance, Design und Text im öffentlichen Raum nicht nur die Region und ein Derivat ihres Produkts in ästhetischen Kontext setzt, sondern auch die Eisenerzer Altstadt zum Erleuchten bringt.“ Barbara Jernej, die die Ausstellung eröffnete und inhaltlich betreute, ging in ihrer anschließenden Einleitung auf die untrennbare Verbindung der Stadt Eisenerz und des Werkstoffes Draht ein. Aber auch auf die Ironie, dass aus jenem Material, das die Menschen seit vielen Jahrhunderten aus dem Berg schlagen, jene Maschinen erschaffen wurden, die sie heute ersetzen. Doch „mit ‚Eisenerz…auf Draht!“ ist es eisenerZ*ART nicht nur gelungen, die Flexibilität und Bedeutung eines oft vergessenen Materials hervorzuheben, sondern auch den Glanz einer Stadt bewusst zu machen, die als Wiege der österreichischen Erzgewinnung in den letzten Jahrzehnten in Vergessenheit zu geraten drohte,“ meinte Jernej. „Jedes Kunstwerk, jede Idee bringt einen neuen Aspekt des Lebens ans Licht.“
Im Anschluss luden die beiden Ausstellungsmacherinnen das Publikum ein, zusammen mit den jeweiligen Künstlerinnen und Künstlern und in Begleitung des Wiener Musikerduos Sweet Sweet Moon an einem künstlerischen Rundgang teilzunehmen.
An der ersten Station wartete bereits der Linzer Künstler Thomas Enzenhofer, der mit einer Drahtrolle über der Schulter einige Tage in Eisenerz unterwegs war, dabei mit hunderten Menschen in Kontakt trat und sie animierte, an seiner sozialen Skulptur teilzunehmen. Er versuchte den Erzberg performativ zu erschließen und dabei die Brücke zwischen Eisen und Industrie auf der einen Seite, und Kommunikation auf der anderen zu schlagen.
An der Außenfassade des Forum-Gebäudes stellte Gerhard Raab seine Skulptur „Satellit“ vor – ein ganz im Stile von Raabs Arbeiten auf ein Minimum reduziertes und den Betrachter stets herausforderndes dreidimensionales Kunstwerk.
Nur wenige Schritte davon entfernt entlädt ein breites Schaufenster Hilda Keeminks „Manager“. Ihre an Bleistiftskizzen erinnernden „Einlinien-Draht-Zeichnungen“ zeigen Dutzende aus der Reihe tanzender Männer in Anzügen, die dem Klischee der steifen Businessmenschen entfliehen. Die niederländische Künstlerin liefert damit auch ein schöne Metapher auf die Widersprüchlichkeit die in der biegsamen Leichtigkeit und Veränderlichkeit des Werkstoffes Draht innewohnt und doch der eigentlichen Härte und Schwere des Rohstoffes Eisenerz entspringt. Durch die engen Gassen der Altstadt geht es an einem Schaufenster vorbei, das kleine Drahtskulpturen zeigt, die Schüler und Schülerinnen des BORG Eisenerz und Leoben unter der Leitung von Thomas Enzenhofer fabrizierten.
Im Schaufenster des ehemaligen Modegeschäftes zeigt der Grazer Künstler Edgar Sorgo sein Objekt „openendings“, das er als „flexibles Schnitt- und Verbindungsstück von Wissenschaft, Technik und Natur“ beschreibt. Wie eine sich im Bann des Flötenspielers hypnotisierte doppelköpfige Schlange richtet sich das Gewinde aus dicken Eisendrähten auf und offenbart in blütenähnlicher Pracht ihr verborgenes Innenleben. Gleich daneben zeigt Gerhard Leixl u.a. eine Maschendrahtzaun-Interpretation einer Skizze des Erzberges. Leixl will „Mut machen Wahrnehmungsmuster zu überdenken“ um damit mehr Bewegung in das Leben der Menschen zu pflanzen. Er gilt als „Schatzsucher“, denn er bedient sich gerne Gegenstände, die ihm ins Auge springen und eher unbeachtet dahinvegetieren. Mit ihnen bildet er die Grundlage seiner Kunst, was er durch sein Statement: „Ich mache keine Kunst, sie passiert mich“, inhaltlich wunderbar abrundete.
Markus Wilfling ließ sich bei seinem Objekt „Madensexualität“ von Drahtspulen inspirieren, die sich ihm am Weg nach Eisenerz immer wieder zeigten. Der Widersinn, den Wilfling schon in seinem Gedicht zum Objekt beschrieb, spiegelt sich auch im Titel wieder, der sich der eigentlichen Asexualität von Maden und demnach auch „hirnzensierend“ entgegenstellt. Ein paar Hausecken weiter spannt Eva Burtscher mit kunstvoll geflochtenen bzw. geklöppelten Zaunelementen ihrer Marke „Lace Fence“ den Bogen zwischen Wirtschaft und Kunst. Sie sieht „Zäune als Vorboten dessen, was hinter ihnen liegt“, was auch Burtschers Liebe zum Detail und Gestaltungsvielfalt erklärt.
Weiter geht der Rundgang mit Markus Mosers „Vespa“, die wie fast alle Objekte des oberösterreichischen Drahtkünstlers durch Transparenz und entsprechende räumliche Platzierung eine matrixähnliche, fast digitale Realität erlangen und durchaus optische Verwirrung stiften können. In weiteren Schaufenstern dürfen noch einmal Arbeiten von Gerhard Raab bewundert werden, die wiederholt seinen Hang zum Minimalismus unterstreichen. Im Gegensatz zu „Satellit“ wirken die ausgestellten Objekte fast intuitiv dahingeformt, verbergen allerdings den materialbedingt langsamen und ausgeklügelten Entstehungsprozess.
An der Außenfassade eines weiteren Wohnhauses präsentiert der Steirer Alfred Resch ein buntes Netz aus recycelten Drähten, einem undefinierten Objekt und einem Leuchtschriftzug, das miteinander und ineinander verwoben nur durch Verflechtung zum Erleuchten gebracht werden kann. Ebenso zum Erleuchten gebracht wird seine „Licht-Mode“, die in einem länderübergreifenden Projekt mit einem kubanischen Modedesigner entstanden ist und am Tag der Ausstellungseröffnung von zwei Eisenerzer Models stolz präsentiert wurde.
Ein in einer Auslage am Bergmannplatz positionierter Monitor zeigt – neben den Videoanimationen, die in Thomas Enzenhofers Workshop entstanden sind und Bodo Hells untertiteltem Textbeitrag – Agnes Keils „Skulptografien“. Die deutsche Künstlerin schafft „Gesichter, Körper, Räumlichkeiten aus dem Nichts“. Erst der Erfahrungsschatz der Betrachter soll sie mit individuellen Bedeutungen ausfüllen.
Am Ende des Rundgangs fand man sich im alten Forum-Gebäude wieder, wo Markus Moser seinen „Hunt“ vorstellte, der von der VA Erzberg in Auftrag gegeben wurde und das Ergebnis seiner dreiwöchigen Arbeit in Eisenerz ist. Und auch dieses Objekt, wie viele andere im Rahmen von „Eisenerz… auf Draht!“, symbolisiert die immanente Wichtigkeit von Bewegung, und dass trotz massiver Umwälzungen in der Region die facettenreichen Vergangenheit Mut für positive neue Veränderungen geben soll.
Bevor sich die Besucher und Besucherinnen noch am Bergmannplatz zur Performance von ILA einfanden, durften sie dem österreichischen Ausnahmeliteraten Bodo Hell beim Videovortrag seiner Draht-Litanei „auf Draht/aufdraht“ bestaunen. In oft irrwitzigen Wortspielen nimmt er dabei Bezug auf das Thema Draht und begibt sich auf feinsinnige, teils philosophisch-literarische Abwege.
Nach Einbruch der Dunkelheit gab der Grazer Künstler ILA dem zahlreich erschienenen Publikum noch einen feurigen Händedruck. Durch einen Strauch brachte er einen Drahtskulptur zu erglühen und setzte so Feuer im Zwiespalt des Lebens und der Zerstörung effektvoll in Szene. Eine weitere Metapher auf die den „feurigen“ Erzberg umarmende, prachtvolle Eisenerzer Bergwelt.
Die Ausstellung „Eisenerz… auf Draht!“ in der Eisenerzer Innenstadt ist noch bis Ende November 2014 zu bewundern.
(Bericht von Michael Pelitz)